MagentaRot


Vom Sommer gehärtet steht das Land und drängt seiner grünen und gelben Vollendung entgegen … So farbig und plastisch beginnt die Titelerzählung dieses Hör­buchs mit Texten von Cornelia Becker und führt mitten hinein in eine Familienfeier, auf der ein Sohn des Hauses, offenbar das schwarze Schaf, plötzlich auftaucht und die Familie in Atem hält. Farbig und plastisch und in wechselnden Tonlagen sind auch die übrigen Texte der Doppel-CD erzählt. Sie werden außerordentlich einfühlsam und modulationsfähig von dem Schauspieler Wolfram Koch gesprochen und sind eingebettet in die so sensible wie eindringliche Musik von Ahmed Chouraqui, der auch die Gitarre spielt. Texte, Stimmführung und Musik fügen sich kongenial ineinander, was sogar den beiden Erzählungen, die den Tod umkreisen, eine erstaunliche Leichtigkeit gibt. Mit anderen Worten: ein Hörgenuss.

Dem jungen Berliner Verlag Wolpertinger ist für die Herausgabe dieser CD in besonderer Weise zu danken. 


Beatrix Saadi-Varchmin für das HEFT/April 2009


Ungewöhnlich vielleicht in diesem Fachkontext: die Vorstellung und auch freundliche
Empfehlung eines Hörbuchs mit lyrischer Erzählprosa der Berliner Autorin Cornelia Becker,
die neben Schriftstellerin, Fremdenführerin, Barbesitzerin und Spanisch-Übersetzerin
offenbar auch Kunsttherapeutin ist. Es wäre jedoch schlicht fehl interpretiert, gar Projektion,
hinter Beckers Symbolisierungen, Sprachbildern, malerischen Farbclustern und erzählerischen
Psychogrammen den (kunst-)therapeutischen Blick entlarven zu wollen. Darum geht es nicht,
allenfalls indirekt, zumal das psychodynamische Verständnis einer verletzlichen Membran
zwischen Innen- und Außenwelt der Protagonisten tiefer in die Texte eingeschrieben scheint,
als üblich, das Wissen um eine bisweilen hypersensible subjektivistische Wahrnehmungs- und
Erlebensweise in einer atmosphärischen Kulisse bedrohlicher Zuspitzung und triebhafter
Affektentladung verrät. ES lauert, macht die Spannung in mancher der fünf Erzählungen aus.
Schafft auch freundliche Identifikationsmomente beispielsweise mit einem Helden, der davon
träumt, mit Picasso und Beuys an einem Tisch im Himmel zu hocken („Becasso"), mit einem
dreizehnjährigen Ich-Erzähler, der gefährlich vernachlässigt in eine mörderische Aggressor-
Fantasie entflieht („Qui Quetzal"). Der Hörer wird jedoch auch auf Abstand gehalten,
verschmilzt nicht mit der oft farbgewaltig gemalten Landschaft, in der mancher
unheilschwangere Natur- und Farbsymbolismus etwas klischee-bildhaft auftritt
(„MagentaRot") oder die Melodramatik der inneren Bühnen eines sterbenden eitlen
Schauspielers (Fauns?) das einfühlende Ergriffensein knapp verfehlen könnte („Bis der
Vorhang fällt").
Die von Becker in ihren charakteristisch recht unterschiedlichen Erzählräumen erzeugten
Atmosphären machen die lyrische Textstärke aus, diffus, flirrend an der Haut zwischen
innerem/ intrapsychischem Erleben und Erinnern und gesellschaftlicher bis gefährdender
Interaktion („Bukarests Hunde"). Das Prinzip behind surface: scheinbar eine nette
Oberfläche, unter der es spürbar, ahnungsweise gewaltig brodelt. Gut geschrieben, ein wenig
wie ein spannender Krimi, und angenehm vorgetragen vom Theater- und TV- Schauspieler
Wolfram Koch (unter andrem vertraut mit Tatorten), filigran eingebettet in die tangoartigen,
beschwingt- bedrohlichen Kammerstücke des Musikers Ahmed Chouraqui. Durchaus ein
Sommer(ferien)- Hörbuch.

 

Titus D. Hamdorf in Kunst & Therapie

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